Kompetenzanalyse-Beispiel: Bertelsmann-Studie

Big-Data-Kompetenzanalysen für die strategische Personalplanung

Data Scientists, Robotik-Ingenieurinnen oder Nachhaltigkeitsmanager – diese Jobs waren vor einigen Jahren Nischenberufe. Heute zählen sie zu den Stellen, die in Unternehmen monatelang unbesetzt bleiben. Kompetenzanalysen auf der Basis von Big Data helfen Unternehmen dabei, proaktiv Schlüsselqualifikationen zu identifizieren, Einstellungsstrategien zu optimieren und gezielte Schulungsprogramme zu entwickeln.

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Im Jahr 2030 wird die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland wegen des demografischen Wandels um rund 4 Millionen abnehmen. Zudem führt der technologische Fortschritt dazu, dass sich Berufe verändern. Dadurch fallen laut WEF bis 2027 weltweit rund 83 Millionen Arbeitsplätze weg, während 69 Millionen neue entstehen. Welche Qualifikationen benötigen die Arbeitskräfte von morgen?


Kompetenzanalysen ermöglichen Personalverantwortlichen, frühzeitig Schlüsselfähigkeiten für (zukünftige) Mangelberufe zu identifizieren. Die resultierenden Anforderungsprofile und Übergangspfade bieten wissenschaftlich-basierte Entscheidungsgrundlagen für die Personalentwicklung und das Recruiting. Dieser Artikel erklärt, wie Unternehmen mithilfe wissenschaftlicher Daten Personal strategisch entwickeln, rekrutieren und binden können, um so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. 

Kompetenz Definition

Wissenschaftler:innen definieren den Begriff „Kompetenz“ unterschiedlich und verwenden ihn häufig synonym mit „Fähigkeit“. Diejenigen, die eine Unterscheidung treffen, beschreiben Kompetenz als einen Überbegriff von Fähigkeiten, die Personen in die Lage versetzen, mit komplexen und unsicheren Situationen umzugehen. Für die Definition von Anforderungsprofilen und Übergangspfaden nutzt WifOR folgende Kategorisierung in drei Kompetenztypen: 

  • Fachliche berufliche Kompetenzen beziehen sich auf die spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine Person in ihrem Beruf erworben hat. 
  • Überfachliche berufliche Kompetenzen umfassen allgemeine Fähigkeiten, Eigenschaften und Einstellungen – nicht auf einen bestimmten Beruf beschränkt. 
  • Zertifikate und Ausbildungsabschlüsse stellen formale Nachweise einer formellen Ausbildung oder Prüfung dar.

Was ist eine Kompetenzanalyse?

Eine Kompetenzanalyse ist die systematische Bewertung von Fähigkeiten in einem Unternehmen. Sie ermöglicht Lücken zwischen vorhandenen und benötigten Kompetenzen zu identifizieren. Durch die Analyse können Unternehmen ermitteln, welche Diskrepanz zwischen den vorhandenen Fähigkeiten der Belegschaft und den für die Erreichung der Unternehmensziele erforderlichen Kompetenzen besteht. 

Warum ist eine Kompetenzanalyse wichtig für Unternehmen?

In den nächsten fünf Jahren werden sich laut WEF (2023) fast die Hälfte aller benötigten Fähigkeiten von Arbeitnehmenden verändern. Der zukünftige Geschäftserfolg von Unternehmen hängt somit entscheidend davon ab, bestehende Hard- und Soft-Skills in die strategische Personalplanung einzubeziehen und Übergangswege für Mitarbeitende in weniger nachgefragten Berufen zu gestalten. 

Personalentwicklung

Kompetenzanalysen zeigen, welche Fähigkeiten vorhanden sind und welche künftig fehlen werden. Anhand dieser Informationen können Unternehmen gezielte Schulungen und Weiterbildungsangebote entwickeln. Dadurch können Unternehmen Mitarbeitenden eine Perspektive bieten, auch wenn sie aktuell in einem Beruf arbeiten, den es langfristig nicht mehr geben wird. Gleichzeitig ermöglichen die Ergebnisse den Mitarbeitenden selbst, ihre Profile anzupassen und so ihre Karriere voranzutreiben. 

Recruiting

Im Recruiting-Prozess können Kompetenzanalysen ebenfalls hilfreich sein. Beispielsweise ermöglichen sie HR-Mitarbeitenden frühzeitig auf künftig erforderliche Kompetenzen zu achten und Personen einzustellen, die bereits einen hohen Anteil dieser Fähigkeiten besitzen. Dies kann dazu beitragen, dass neue Mitarbeitende schneller in ein Unternehmen integriert werden und produktiv arbeiten können. Auch besteht die Möglichkeit, bei schwer zu besetzenden Stellen Personen aus Berufen mit ähnlichen Anforderungsprofilen einzustellen und mithilfe von Übergangspfaden gezielt weiterzubilden. 

Bindung von Mitarbeitenden

Kompetenzanalysen können auch dazu beitragen, die Bindung von Mitarbeitenden an ein Unternehmen zu stärken. Karriereperspektiven und berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die Personen ermöglichen im Unternehmen zu bleiben, können die Loyalität und Motivation von Mitarbeitenden langfristig fördern. Dies kann zu einer höheren Zufriedenheit und einem niedrigeren Fluktuationsrate in der Belegschaft führen. 

Big-Data-Kompetenzanalyse: Definition

Eine klassische Kompetenzanalyse ermittelt systematisch die Fähigkeiten und Kenntnisse einer Person. Big-Data-Kompetenzanalysen gehen einen Schritt weiter: sie berücksichtigen neben der internen Situation auch externe Arbeitsmarkttrends und zeigen, welche Kompetenzen für ausgewählte Berufe erforderlich sind. Big-Data-Kompetenzanalysen kommen häufig in der Personalplanung sowie der Personalentwicklung und im Recruiting zum Einsatz. Sie können sowohl unternehmensspezifisch als auch übergreifend auf ganze Branchen ausgerichtet sein.  

Diese Fragen beantwortet die Big-Data-Kompetenzanalyse von WifOR:

  • Welche Kompetenzen sind in Zukunft besonders wichtig? 
  • Welche Kompetenzen verlieren künftig an Bedeutung?
  • Was sind sinnvolle Übergangspfade, um Mitarbeitende für Engpassberufe zu qualifizieren? 

Welche Vorteile haben Big-Data-Kompetenzanalysen?

Kompetenzanalysen auf Basis von Big Data können maßgeblich zum Geschäftserfolg beitragen, indem sie frühzeitig angeben, wie Unternehmen Engpässe vermeiden und ihre Fluktuation reduzieren können. Gerade angesichts aktueller Megatrends wie der digitalen Transformation und einem steigenden Fachkräftemangel ermöglichen sie Planungssicherheit für Mitarbeitende und Unternehmen.

Wie ist das methodische Vorgehen bei Big-Data-Kompetenzanalysen? 

Die Big-Data-Kompetenzanalyse von WifOR erfolgt in einem dreistufigen Verfahren nach einem Mixed-Method-Ansat. Diese Methode vereint die Vorteile einer quantitativen und qualitativen Analyse, um die Ausgangs- und Zielberufe zu bestimmen. Dazu greift WifOR auf eigene Datenbanken mit mehreren Millionen Stellenanzeigen zurück. Diese werden fortlaufend mittels Web-Scraping aktualisiert, um aktuelle Arbeitsmarkttrends zu berücksichtigen.

Im ersten Schritt ermittelt WifOR die Anforderungsprofile der ausgewählten Berufe. Mithilfe von KI-gestützten Analysen lassen sich aus ca. 50.000 Kompetenzen die wichtigsten Fähigkeiten für jeden Beruf identifizieren.

Im zweiten Schritt werden die Anforderungsprofile mit einem makroökonomischen Arbeitsmarktmodell verknüpft. So identifiziert WifOR die in Zukunft wichtigsten Kompetenzen für die ausgewählten Berufe.

Im dritten Schritt werden Ähnlichkeiten zwischen Anforderungsprofilen ermittelt, um für Unternehmen sinnvolle Übergangspfade abzuleiten. Dies ermöglicht es, Weiterbildungs- und Recruiting-Maßnahmen auf Basis der identifizierten Kompetenzlücken zu planen.

Methodisches Vorgehen bei Big-Data-Kompetenzanalysen
Methodisches Vorgehen bei Big-Data-Kompetenzanalysen

Bertelsmann-Studie: Berufliche Übergangspfade in der Automobil- und Zulieferindustrie

Eine Kompetenzanalyse auf Basis von Big Data liefert strategische Handlungsempfehlungen für Branchen und Unternehmen. Dies zeigt die WifOR-Studie „Berufliche Übergangspfade in der Automobil- und Zulieferindustrie in Baden-Württemberg“ im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Studienhintergrund

Die fortschreitende Digitalisierung sowie die ökologisch-digitale Transformation stellt die Automobil- und Zulieferindustrie vor große Herausforderungen. In Baden-Württemberg betrifft dies rund 250.000 Beschäftigte. Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb und die Digitalisierung verändern Tätigkeitsfelder und Berufsbilder, insbesondere in den Bereichen Metallverarbeitung, Vertrieb, KFZ- und Automatisierungstechnik sowie der technischen Forschung und Entwicklung.

Gleichzeitig könnten aufgrund des demografischen Wandels bis 2030 über 40.000 Fachkräfte fehlen, wenn die Branche es nicht schafft, die aktuellen Arbeitskräfte auf die Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt vorzubereiten. Um einen erfolgreichen Wechsel von gefährdeten Berufen zu welchen mit Zukunftsaussichten zu ermöglichen, entwickelte WifOR strategisch sinnvolle Übergangspfade.

Ergebnisse

Entscheidend bei der Entwicklung von Übergangspfaden sind hohe Übereinstimmungen der Kompetenzprofile von Ausgangs- und Zielberuf, eine steigende Nachfrage im Zielberuf sowie der Erhalt des Anforderungsniveaus oder einem Wechsel auf das nächsthöhere Niveau. Die Analyse basiert auf einem Kompetenzvergleich der gefährdeten Ausgangsberufe und passenden Zielberufe.

Aufstieg durch Berufsausbildung für Hilfskräfte in der Metallbearbeitung

Ein Beispiel verdeutlicht dies am Fall von Hilfskräften in der Metallbearbeitung, die durch einen Wechsel zur Fachkraft in der spanenden Metallbearbeitung aufsteigen können. Für einen erfolgreichen Übergang ist nicht nur der Erwerb einer formalen Berufsausbildung erforderlich, sondern auch die Entwicklung spezifischer Qualifikationen in Bereichen wie Zerspanungstechnik, Fertigungsprozessen, CAD-Software-Nutzung und Programmierung. Diese gezielte Qualifizierung ermöglicht den Mitarbeitenden, ihre vorhandenen Fertigkeiten zu erweitern und in einem zukunftsträchtigen Berufsfeld Fuß zu fassen.

Aufstieg durch Weiterbildung für Vertriebsmanager:innen

Ein weiteres Beispiel betrifft Vertriebsmanager:innen, die einen Aufstieg zur Spezialist:in in Werbung und Marketing anstreben. Hier ist zwar keine zusätzliche Ausbildung erforderlich, jedoch müssen sie sich im Hinblick auf fachliche Kompetenzen für ein höheres Anforderungsniveau qualifizieren, insbesondere in den Bereichen berufsspezifischer Kompetenzanforderungen wie etwa Software Skills. Diese gezielte Weiterbildung ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Expertise zu vertiefen und sich den Anforderungen eines sich wandelnden Arbeitsumfelds anzupassen.

Wechsel auf gleichem Anforderungsniveau für Expert:innen in der technischen Forschung und Entwicklung

Expert:innen in der technischen Forschung und Entwicklung, beispielsweise Produktingenieur:innen in der Fahrzeugtechnik, könnten einen Wechsel zur Mikrosystemtechnik in Erwägung ziehen. Obwohl das Anforderungsniveau gleich bleibt, erfordert dieser Schritt zusätzliche Kompetenzen in der Elektrotechnik, Computerprogrammierung und Entwicklung digitaler Inhalte. Dabei sind bereits erworbene Erfahrungen in Entwicklungsprozessen und im Projektmanagement von großem Nutzen. Dieser Wechsel ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre bestehenden Fähigkeiten auf ein innovatives Gebiet auszudehnen, während sie auf einem ähnlichen beruflichen Niveau bleiben.

Diese Beispiele zeigen die unterschiedlichen Möglichkeiten von Berufswechseln, angefangen bei formalen Aus- und Weiterbildungen sowie Wechseln auf gleichem Anforderungsniveau. Übergangspfade ermöglichen es Unternehmen, ihre Mitarbeitenden gezielt weiterzubilden und ihnen intern eine Zukunft zu bieten. Auf diese Weise können Unternehmen nicht nur hochqualifizierte Mitarbeitende halten, sondern auch langfristig den Fachkräftebedarf sichern und damit die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Laden Sie hier eine Beispiel-Studie herunter:

Berufliche Übergangspfade in der Automobil- und Zulieferindustrie

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Berufliche Übergangspfade in der Automobil- und Zulieferindustrie in Baden-Württemberg

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Fazit

Unternehmen müssen sich strategisch auf zahlreiche Megatrends wie den demografischen Wandel, die Digitalisierung oder die sozial-ökologische Transformation vorbereiten. Big-Data-Kompetenzanalysen bieten hier konkrete Anhaltspunkte, um in diesem dynamischen Umfeld wissenschaftlich-basierte Entscheidungen treffen zu können. Diese ermöglichen HR-Verantwortlichen, nachhaltig Personal zu entwickeln, zielgerichtete Recruiting-Maßnahmen zu planen, Mitarbeitenden langfristig eine Perspektive zu bieten – und damit sowohl den Fachkräftebedarf als auch den Unternehmenserfolg zu sichern.