Interview mit Dr. Richard Scholz

Impact Valuation für eine nachhaltige Unternehmenssteuerung

WifOR unterstützt Unternehmen dabei, die sozialen, ökologischen und ökonomischen Effekte entlang ihrer Lieferkette zu ermitteln und Hotspots zu erkennen. Dieser Artikel erklärt die Methode und wie Unternehmen die Daten nutzen können.

Unternehmen tragen eine ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung – von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Durch erweiterte Input-Output-Analysen ist WifOR in der Lage, die sozioökonomischen und ökologischen Effekte entlang der gesamten Lieferkette eines Unternehmens zu erfassen und vergleichbar zu machen – national und international. So erkennen die Expert:innen kritische Punkte in der Lieferkette, um konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Im Interview beantwortet Dr. Richard Scholz, Leiter Impact Analysen bei WifOR, häufig gestellt Fragen zu dem Thema.

Dr. Richard Scholz
Head of Impact Analysis
Nur mit validen und vergleichbaren Daten können Unternehmen gezielte Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lieferkette ableiten.

Herr Dr. Scholz, wie können Unternehmen kritische Stellen in ihrer Lieferkette identifizieren?

Dr. Richard Scholz: Kritische Punkte in der Lieferkette ermitteln wir in mehreren Schritten unter Berücksichtigung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Indikatoren. Hierzu zählen etwa die Vielfalt der Belegschaft, der Energieverbrauch oder die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens.

Überblick soziale, ökologische und ökonomische Indikatoren:

Überblick soziale, ökologische und ökonomische Indikatoren:

Wie erheben Sie diese Daten im Unternehmen?

Der Ausgangspunkt dieser Berechnung sind Einkaufslisten, die in Unternehmen bereits vorliegen. Die Dateneingabe folgt in etwa dem folgenden Schema:

Die unternehmensseitig benötigten Daten liegen durch das jährliche Reporting, Controlling, und die Buchhaltung in der Regel bereits vor. Der Prozess der Datenerhebung wird zudem an die internen Gegebenheiten angepasst, um den Aufwand in den Unternehmen zu minimieren. Im Anschluss validieren wir die Daten und schließen etwaige Datenlücken.

Wie berechnen Sie anhand dieser Daten die Effekte entlang der Lieferkette?

Die Berechnung der Effekte erfolgt mittels einer sozio-ökonomisch und ökologisch erweiterten Input-Output-Analyse – einer anerkannten Methode der Lieferkettenanalyse, die z.B. vom Scope 3-Standarddes GHG-Protokolls empfohlen wird. Das WifOR-Modell basiert auf offiziellen und wissenschaftlich anerkannten Datenbanken. Mithilfe des Modells sind wir in der Lage, die gesamte Lieferkette von „Tier 1“ bis „Tier unendlich“ abzubilden – „Tier“ steht dabei für Lieferkettenstufe. Bei „Tier 1“ handelt es sich um alle Effekte, die beispielsweise durch CO2-Ausstoß, Wasserverschmutzung oder Arbeitsunfälle direkt bei den Lieferanten entstehen. „Tier 2“, sind die Effekte, die bei den Lieferanten der Lieferanten entstehen. So lässt sich das beliebig auf weitere Stufen erweitern. Zum Beispiel: Wenn der direkte Lieferant ein in den USA ansässiger Chemiehersteller ist, liefert unser Modell eine Karte der landes- und sektorspezifischen Industrieausgaben, die auch Importländer enthält. Diese spiegeln die Einkäufe und damit die Zulieferer des besagten Unternehmens wider. Neben den Fertigungsaktivitäten beziehen wir hier auch nicht-operative Aktivitäten wie Beratungsleistungen oder Forschungsaktivitäten in die Bewertung ein. Diese Methode wird auch auf die noch weiter zurückliegenden Wertschöpfungsstufen angewandt (Tier 3-n), bis die gesamte Lieferkette abgebildet ist.

Effekte entlang der Lieferkette

Die Ergebnisse zeigen die größten Hotspots:

  • Welche Produktgruppen, Einkaufsbereiche, Berichtseinheiten sind für die größten Effekte verantwortlich? 
  • In welchen Ländern entstehen die größten Effekte?
  • Auf welcher Lieferkettenstufe entstehen die größten Effekte?

Wie können Unternehmen ihre Lieferkette in Bezug auf soziale und ökologische Auswirkungen anhand dieser Ergebnisse verbessern?

Nachdem wir die Effekte erfasst haben, beginnt die eigentliche Arbeit: Die Ergebnisse zeigen genau an, wo die Wurzel für kritische Punkte in der Lieferkette liegt und welche Hotspots am stärksten ins Gewicht fallen. Zusammen mit dem Unternehmen identifizieren wir dann Handlungsoptionen. Zum einen, um genauere Daten zu erfassen, wie z.B. durch Lieferantenbefragungen und zum anderen, um herauszufinden mit welchen Mitteln die effizientesten Verbesserungen erzielt werden können – beispielsweise durch andere Bezugsquellen, veränderte Zielsetzungen für Lieferanten oder veränderte Priorisierung von Maßnahmen.

Wie können Unternehmen diese Werte für ihr ESG-Reporting nutzen?

Während sich die Impact-Analyse auf die Untersuchung der Auswirkungen konzentriert, befasst sich die Impact Valuation mit der gesellschaftlichen Bewertung dieser Auswirkungen. Hierzu werden die physischen Werte in monetäre Einheiten umgerechnet, um einzelne Indikatoren vergleichbar zu machen.

Wie funktioniert diese Umrechnung?

Im Rahmen des EU-Projekts „Green Deal“ hat die EU verschiedene Organisationen beauftragt, eine Reihe von allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen für die Umweltdimension zu entwickeln – darunter die Value Balancing Alliance (VBA), die Capitals Coalition und den World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Dort ist teilweise festgelegt, wie einzelne Indikatoren umrechnet werden sollten – wobei es hier noch keine ausreichenden Standards gibt. In dem Bereich arbeiten wir im engen Kontakt mit der Value Balancing Alliance und einigen ihrer Mitglieder, um eine globale, standardisierte Methode zur Wirkungsmessung ihrer konzernweiten Auswirkungen zu entwickeln.

Können dabei auch positive Unternehmensaktivitäten berücksichtigt werden?

In jedem Fall. Beispielsweise haben Investitionen in Forschung und Entwicklung, Aufforstung oder Arbeitsschutzmaßnahmen einen positiven Impact, den wir in die Gesamtrechnung miteinbeziehen.

Wofür können Unternehmen diese Daten noch nutzen?

Mithilfe von Impact Valuation können wir die Ergebnisse in konkrete Zahlen übersetzen, die Unternehmen als Grundlage für ihre nichtfinanzielle Berichterstattung dienen. Zudem sind wir in der Lage die Daten branchenübergreifend, geografisch und mit politischen Zielen wie den SDGs zu vergleichen. Diese Ergebnisse liefern eine valide Grundlage für Entscheidungen, um die potenziellen Auswirkungen der untersuchten externen Effekte zu verbessern und somit die steigenden Anforderungen der verschiedenen Anspruchsgruppen zu erfüllen.

Seit bereits knapp zehn Jahren berät WifOR das Pharmaunternehmen Novartis bei der Impact Bemessung. In unserem “Novartis in Society ESG Report 2021” erhalten Sie Einblicke in den wirtschaftliche, sozialen und ökologischen Impact von Novartis sowie Beispielergebnisse auf Grundlage des methodischen Ansatzes von WifOR zur Berechnung des direkten Beitrags zum BIP sowie indirekte und induzierte Umwelt- und Wirtschaftsauswirkungen. Den Report können Sie hier herunterladen:

Impact Valuation for Novartis

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